Die Naturfreunde betreiben bundesweit rund 400 Häuser mit insgesamt etwa 9.000 Betten, in denen Menschen kostengünstig übernachten und Urlaub machen können. Wie wirkt sich die Coronapandemie auf Ihre Häuser aus?
Für die Naturfreundehäuser bedeuten die Pandemie und der damit verbundene Lockdown einen dramatischen Einbruch. Sie sind zentraler Treffpunkt für viele fortschrittliche Initiativen und für die Arbeit der Naturfreunde. Auf der anderen Seite sind sie zum Teil auch wirtschaftliche Betriebe, die auf die Umsätze angewiesen sind. Wir haben laut interner Befragung in unseren Häuser einen Umsatzausfall von etwa 21 Millionen Euro durch die Folgen der Coronapandemie zu verkraften. Für unsere Aktiven bedeutet diese Zeit häufig Kurzarbeit und massive finanzielle Einschränkungen.
Also können Sie nicht ausschließen, dass Häuser geschlossen werden müssen?
Nach unserem bisherigen Wissen muss bisher kein Naturfreundehaus aufgrund der Folgen der Coronapandemie geschlossen werden. Dies ist vor allem auf den riesigen ehrenamtlichen und zum Teil auch finanziellen Einsatz der Ortsgruppen zurückzuführen.
Was würde die Schließung von Häusern für Ihren Verband, aber auch für die Menschen bedeuten, die Ihre Angebote nutzen?
Naturfreundehäuser sind Treffpunkte für Initiativen, Orte der interkulturellen Begegnung, Seminar- und Freizeithäuser. Für viele Familien, Kinder und Jugendliche, Wanderbegeisterte und Menschen mit geringeren Einkommen sind sie eine Möglichkeit, in einer solidarischen Atmosphäre Freizeit und Urlaub zu verbringen. Seit ihrer Gründung vor mehr als 100 Jahren sind sie linke Orte, die sich den Widrigkeiten der kapitalistischen Konkurrenz und Ausbeutung, zumindest ein Stück entziehen wollten. Damit sind sie Orte der Gegenkultur und des fortschrittlichen Lebens.
Da sich die Naturfreunde dem Schutz von Umwelt und natürlichen Ressourcen verschrieben haben und im Gegensatz zu großen Hotels keinen Raubbau an der Natur betreiben, wäre die Schließung von Häusern auch besonders makaber.
Ja, das ist eine sehr schwere Zeit. Die Naturfreunde mussten gemeinsam mit anderen Verbänden lange kämpfen, um auch für gemeinnützige Bildungsstätten und Übernachtungshäuser Möglichkeiten zu schaffen und zumindest teilweise auf die Rettungsschirme zuzugreifen. Wir mussten durch mehrere Interventionen deutlich machen, dass ohne finanzielle Hilfe ein großflächiges Sterben der gemeinnützigen Häuser droht. Jetzt wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung getan, der aber für die nächsten Monate nicht ausreichen wird.
Eine Reihe Ihrer Mitglieder hat sich während des Lockdowns ehrenamtlich sozial engagiert, zum Beispiel durch Versorgung von Hilfsbedürftigen mit Lebensmitteln. Erwarten Sie nun umgekehrt auch Solidarität und Hilfe der Politik?
Es war und ist bewundernswert, mit welchem Engagement viele Mitglieder der Naturfreunde durch Ausfahrdienste, Nachbarschaftshilfen oder die Hilfe für sozial Benachteiligte, Ältere und kranke Menschen konkrete ehrenamtliche Hilfe vor Ort leisten. Verbände wie unserer organisieren seit ihrer Gründung einen wichtigen gesellschaftspolitischen Beitrag für eine soziale und ökologische Veränderung der Gesellschaft. Aus unserer Sicht ist klar, dass gemeinnützige Verbände und Häuser Hilfen durch die öffentlichen Haushalte bekommen müssen.
Gemeinnützige Organisationen fallen durch das Raster der Coronahilfen. Wie kann Ihnen überhaupt geholfen werden?
Es ist skandalös, dass Milliarden für die Rettung von internationalen Konzernen aufgewendet wurden, aber der gemeinnützige Sektor von seiten der Politik als störender Bittsteller wahrgenommen wurde. Hier konnten wir in den letzten Monaten erste Veränderungen erreichen. Jetzt geht es darum, die nötigen Hilfen konsequent auszuweiten, damit gemeinnützige Strukturen nicht zerstört werden. Durch zahlreiche Interventionen haben wir Druck auf politisch Verantwortliche organisiert, damit hier ein Umdenken einsetzt. Freundliche Worte retten gemeinnützige Verbände und Initiativen nicht. Jetzt brauchen diese Strukturen konkrete finanzielle Unterstützung.